Die Siedlung Bolsa Negra

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Siedlung Bolsa Negra liegt auf 4300 Metern Höhe und hat etwa 600 Einwohner. Obwohl sie nur etwa 70 Kilometer von La Paz entfernt ist, braucht man etwa vier Stunden mit dem Auto von der Hauptstadt dorthin. Die Menschen leiden unter großer Armut, da die einzige Einkommensquelle – eine Wolframmine – vor vielen Jahren aufgrund mangelnder Nachfrage nach dem Schwermetall stillgelegt wurde.

Die Menschen in der Bolsa Negra wohnen nicht dort, weil sie das möchten – sie haben einfach keine andere Wahl! Gerade für alleinerziehende Frauen ist die Arbeit in der mine oftmals die einzige Möglichkeit, ihr Überleben und das ihrer Kinder zu sichern.

 

Die Patenkinder Camila und Hernan

 Flora mit ihren beiden Kindern Camila und Hernan

 

 

 

 

 

 

 

                   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So auch für Flora. Sie und ihre beiden Kinder Hernan und Camila (5 und 7), leben in einem Zimmer einer einstöckigen Baracke, die sie mit vier weiteren Familien teilen, zur Verfügung gestellt von der Bergbau-Kooperative. Es ist zugig kalt und es riecht schimmelig, der Geruch beißt im Rachen. Hernan hustet ununterbrochen. Um bei ihren kleinen Kindern sein zu können, nimmt sie ihre Arbeit mit Nachhause: die Überbleibsel der bereits von den Männern mit Maschinen durchgesiebten Erde durchsucht sie mit den bloßen Händen nach winzigen Fitzelchen der begehrten Mineralien und liefert sie dann bei der Kooperative ab.

Bezahlt wird sie nach Menge – tun ihre von Arthrose geschwollenen Hände zu sehr weh um zu arbeiten, gibt es auch kein Geld. Auch nicht vom Vater der Kinder, der sie mit nach Bolsa Negra genommen hatte, um in der Mine zu arbeiten. Mittlerweile hat dieser sich jedoch sang und klanglos abgesetzt. Nach seinem Verschwinden musste sie zunächst bei anderen Arbeitern unterkommen, da die Kooperative die drei umgehend aus dem Haus geworfen hat. Als Gegenleistung putzte Flora für die Bekannten bei denen sie wohnte – jedoch sah sie sich mehr und mehr mit sexuellen Übergriffen konfrontiert, vor denen sie sich kaum schützen konnte. Ihre größte Angst ist eine weitere Schwangerschaft und damit noch ein Kind, das sie nicht ausreichend ernähren kann, erzählt sie mir unter Tränen.

Notgedrungen fing auch sie an für die Kooperative in der Mine zu arbeiten. Jedoch kann sie mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unter Tage arbeiten. Selbst Vollwaisin, hat sie auch keine Möglichkeiten außerhalb von Bolsa Negra Unterschlupf zu finden. Mit den Worten „Nur für ihre Kinder lebt sie weiter und nur Gott weiß wie sie das schaffen soll“ beendet sie ihre Ausführungen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich es mich gemacht hat, ihr das Patengeld für ihre Kinder im Namen ihrer Paten zu geben. Und noch glücklicher, als ich hörte, dass Marcela, ihre Betreuerin von Contexto, bereits intensiv nach einer Beschäftigung in den Einrichtungen von Contexto für sie sucht – weit weg von Bolsa Negra.“

Bald wird es so weit sein. Flora ist der Patin von Camila und dem Paten von Hernan, der leider in 2013 verstorben ist, aber für sein Patenkind durch eine kleine Hinterlassenschaft bis zum 20. Altersjahr vorgesorgt hat, unendlich dankbar.

Das Patenkind Deysi

Deysi vor unserem Kindergarten „Juana Maria“

Weit weg von Bolsa Negra ist auch das große Ziel von Deysi.Ihre Augen füllen sich mit Tränen, als sie mir von ihrem großen Traum erzählt, in La Paz Krankenwesen zu studieren. Als erstes fallen mir ihre großen, runden Augen auf. Als zweites fasziniert mich, wie diese Augen strahlen, wenn die 16-jährige von ihrer Patin Silvia wie über eine gute Freundin spricht. Silvia unterstützt Deysi bereits seit vielen Jahren – und damit die ganze Familie. Denn der Vater ist starker Alkoholiker und wenn er mal wieder zu betrunken ist um in der Mine zu arbeiten, kauft Deysi heimlich essen für ihre Mutter, ihre zwei Brüder und sich. Wenn das Geld des Vaters nicht mal mehr für billigen Fusel reicht, reißt er sich wieder zusammen und geht arbeiten – ein klassischer Quartalssäufer, der bislang jede Hilfe abgelehnt hat, die Contexto ihm angeboten hat.

Deysi zählt schon jetzt die Tage bis zu ihrem Schulabschluss in anderthalb Jahren. Aktuell versucht sie gemeinsam mit Marcela, der Betreuerin von Contexto, etwas von dem Patengeld zurückzulegen, für ihre Zukunft in La Paz. Dieser fiebert sie so verbissen entgegen, es ist unglaublich solch eine Entschlossenheit zu spüren.“

Was wäre wohl aus Deysi geworden ohne die Unterstützung ihrer Patin? Wie so viele andere wäre sie mit ihrem familiären Hintergrund mit grösster Wahrscheinlichkeit auf der Strasse gelandet.